Das Wichtigste vorneweg: Die Redewendung „Mit Kind und Kegel“ ist alt, sehr alt. Sie ist teilweise heute nicht mehr im ursprünglichen Sinne passend. Und wird trotzdem permanent von uns genutzt.
Aber – gemach, gemach – der Reihe nach:
Etymologisches zu „Kind und Kegel“
Schauen wir zunächst auf den zweiten Teil, den „Kegel“. Hier ist weder die geometrische Form, noch die Spielfigur des Kegelspiels gemeint.
Kegel entwickelte sich aus dem althochdeutschen „kegil“ für „Knüppel, Pflock“. Der Duden schreibt hierzu: „…Nicht geklärt ist allerdings, wie das schon früh in der Bedeutung „Pfahl, Pflock“ und „Spielkegel“ belegte Wort zu der Bedeutung „uneheliches Kind“ gekommen ist. Man vermutet, dass es sich hier um eine ähnliche Bedeutungsentwicklung handelt wie z. B. bei “Bengel“ (ursprünglich = Stock, Knüppel), d. h. dass „Kegel“ zunächst auch eine abwertende Bezeichnung für „Kind „gewesen sei, woraus sich später die Bedeutung „uneheliches Kind“ entwickelt hat.“ *
Eine andere Deutung besagt, dass der frühmittelalterliche Ausdruck „kekel“ das Kind aus einer Kebsehe – einer Ehe zwischen einem Freien und einer Leibeigenen bezeichnete (bis ins 9. Jahrhundert). **
Später wurde „kekel“ – wie im Grimmschen Wörterbuch beschrieben – zum Begriff für ein uneheliches Kind, insbesondere Söhne betreffend. Zu Zeiten der Gebrüder Grimm war dieser Begriff allerdings auch schon lange nicht mehr üblich. Aber die beiden gelehrten Herren liefern uns eine Begründung, weshalb sich die Redewendung „Mit Kind und Kegel“ gehalten hat:
„diesz zeugnis reicht übrigenswol ins 13.jh. zurück. doch auch hier erscheint es nicht mehr selbstständig, sondern schon in der verbindung mit kind; diese verbindung, meist „kind und kegel“, ist eine jener formeln, in denen ein sonst erstorbenes wort sich noch lange mit fortschleppt, und diese gerade, die heute noch lebendig ist, wird mit ihrem stabreim bis in die zeit der ältesten alliterierenden dichtung zurückreichen.“ ***
Und siehe da, das „erstorbene Wort“ hat sich noch weiter fortgeschleppt … bis in unsere Tage, wo es sich größter Beliebtheit erfreut.
Historisches zu „Kind und Kegel“
Die Bezeichnung „Kind“ umschrieb im Mittelalter keine Lebensspanne, sondern eine soziale Stellung, einen Ehrenstatus, nämlich die eines ehelich geborenen Nachkommen. Innerhalb einer Familie gab es aber aus vielerlei Gründen oft auch Nachkommen, die nicht im strengen Sinne „ehelich“ waren:
Denn:
- Viele Frauen starben damals bei der Geburt oder im Kindbett, was dazu führte, dass Kinder aus mehreren Ehen eines Mannes in einem Haushalt lebten.
- Starb dieser Mann und Vater, musste sich die verbliebene Witwe aus wirtschaftlichen Gründen wieder verheiraten, um die eigenen Kinder und die verwaisten Kinder ihrer Vorgängerin(nen) zu versorgen.
- Der Einfachheit halber wurden auch diese Waisen als „Kegel“ bezeichnet, obwohl sie ursprünglich ehelich geboren waren, später aber als außereheliche Kinder neben den ehelichen groß wurden.
„Kegel“ hatten weniger Rechte als eheliche Kinder und wurden beispielsweise in Bezug auf die Berufswahl benachteiligt. Glauben wir sofort, wenn wir an die starren Regeln mittelalterlicher Stände und Zünfte denken. Von der Macht der „Institution Kirche“ mal ganz zu schweigen.
Der Begriff „Kegel“ verschwand mit dem Ende des Mittelalters, als die soziale Bedeutung der Ehrenhaftigkeit im deutschen Kulturraum zurückging. „Kind“ etablierte sich als die Bezeichnung für jegliche Nachkommen.
Phraseologisches zu „Kind und Kegel“
Wie kommt es nun, dass sich die Redewendung „Mit Kind und Kegel“ bis in unseren Sprachgebrauch erhalten hat, obwohl „Kegel“ schon vor Jahrhunderten seine Bedeutung für „uneheliches Kind“ verloren hat?
„Mit Kind und Kegel“ ist so präsent, weil es einen sprachlichen Kniff nutzt, der einfach im Kopf bleibt:
„Kind und Kegel“ ist phraseologisch gesehen eine Paarformel, genauer ein Hendiadyoin (mittellateinisch hendiadyoin, hendiadys < griechisch hèn dià dyoĩn = eins durch zwei) und bezeichnet in der Rhetorik und Linguistik eine Stilfigur, die einen komplexen Begriff mittels zweier nicht bedeutungsgleicher Ausdrücke mit (meist) gleichem Anlaut beschreibt, die in der Regel durch die Konjunktion „und“ verbunden werden.
Ist wie bei „Mit Kind und Kegel“ eines der beiden Wörter im Einzelgebrauch unüblich geworden, spricht man von einer semantischen Verdunklung. Dies beispielsweise gilt auch für „frank“ in „frank und frei“.
Auch jede dieser Redewendungen ist ein Hendiadyoin:
- über Stock und Stein
- in Bausch und Bogen
- Feuer und Flamme
- nie und nimmer
Genauso erfolgreich in unserer Erinnerung verankert sich das Homöoteleuton (griechisch-lateinisch; „ähnlich endend“), eine Phrase in identischer Bauweise wie das Hendiadyoin nur mit (meist) gleichen Wortendungen.
Wir haben also in diesen Redewendungen jeweils ein Homöoteleuton vor uns:
- rank und schlank
- Hinz und Kunz
- unter Dach und Fach
- auf Schritt und Tritt
Was interessiert mich als Texterin so sehr an diesen Paarformeln? Was nehme ich aus diesem Wissen mit? Und was hat all das mit meiner Arbeit als Texterin zu tun?
Ich bekomme mit diesem Wissen ein Tool an die Hand, um Texte zu schreiben, die sich in den Köpfen Ihrer Leser oder Hörer fest verankern.
So fest wie die Lach- und Sachgeschichten mit der Maus. Oder Wind- und Wetter-Cremes. Oder ein Schlank-und Rank-Trank.
* Duden Band 11 „Redewendungen“ S. 409
** Eintrag bei Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Kebsehe
*** „KEGEL“, Deutsches Wörterbuch von Jacob Grimm und Wilhelm Grimm, digitalisierte Fassung im Wörterbuchnetz des Trier Center for Digital Humanities, Version 01/21, <https://www.woerterbuchnetz.de/DWB?lemid=K03005>, abgerufen am 21.11.2021.
Link zu diesem Eintrag: www.woerterbuchnetz.de/DWB/kegel
Hier untersuche ich die Herkunft der Redewendung „Durch die Lappen gegangen“Redewendung: