Vielleicht fragen Sie sich, ob und wozu Sie so etwas überhaupt brauchen. Ist Corporate Language – auch Unternehmenssprache – gar nur unnötiger Marketing-Aktionismus?
Lassen Sie mich ein Corporate-Language-Szenario für Sie konstruieren:
Im Briefkasten liegt ein Flyer eines Fitnessstudios. Im Flyer spricht die Fitnesseinrichtung von „Mitgliedern“. Sie gehen auf die Internetseite und lesen dort abwechselnd von „Kunden“, „Klienten“, „Mitgliedern“ und „Sportsfreunden“. Mit ein wenig Pech wird vor Ort am Empfangstresen von „Gästen“ gesprochen.
Jede einzelne Bezeichnung beschreibt die zahlenden Konsument*innen des Fitnessstudios. Ganz klar. Aber schauen wir genau hin: In jedem dieser Begriffe steckt eine andere Haltung gegenüber den Kunden. Da geschieht ein Framing*.
Jetzt wird es kleinteilig:
Doch zuvor möchte ich kurz einschieben, dass ich in meiner hier folgenden Betrachtung der einzelnen Begriffe aus Gründen der Lesefreundlichkeit nicht gendere.
Die saloppe, joviale Bezeichnung „Sportsfreund“ bezeichnet keine geschäftliche Bindung zwischen Sender und Adressat und ist bei jungen Menschen nicht mehr fest im Sprachgebrauch verankert. Durch das Vorkommen des Wortes „Sport“ ist der Bezug zur Fitnesseinrichtung geschaffen, der „Freund“ lässt den entspannten Umgang unter Sporttreibenden anklingen.
Was bedeutet das nun für unser fiktives Fitnessstudio?
Der „Sportsfreund“ zahlt wenig. Er besucht ein Studio, dessen Beiträge nur gering über dem Mitgliedsbeitrag eines Vereins liegen. Keine Extras, alles kostet zusätzlich.
Das Wort „Kunde“ ist völlig austauschbar und beschreibt vom Frisörgeschäft, über Supermarkt und Autowerkstatt bis hin zur Bank den zahlenden Empfänger oder die Empfängerin eines Produkts oder einer Dienstleistung.
Der „Kunde“ zahlt in seinem Sportstudio schon etwas mehr als der „Sportsfreund“.
„Mitglieder“ sind qua Definition zum einen Angehörige einer Gemeinschaft, zum anderen Personen, die einer Organisation, einem Verein, einer Partei beigetreten sind oder der Institution durch Aufforderung oder Wahl angehören. Mitglieder haben Rechte und Pflichten.
Das „Mitglied“ trainiert eventuell Schulter an Schulter mit dem „Kunden“ und zahlt wahrscheinlich genau das gleiche. Er fühlt sich vielleicht mit etwas mehr Rechten und einer gemeinsamen Interessensvertretung ausgestattet. Ein kleines Plus nur. Aber eines, das Wertschätzung ausdrückt.
Als „Klient“ wird jemand bezeichnet, der meist gegen Bezahlung Rat und Hilfe sucht und seine Interessen wahrnehmen lässt. Der „Klient“ besucht ein teures Fitnessstudio. Dort gibt es individuelle Beratung, einige Extraleistungen, nobles Ambiente.
Übertreibe ich wenn ich behaupte, der „Gast“ zahle am meisten? Er wird umsorgt wie in einem exklusiven Hotel, alle Wünsche werden erfüllt. In seinem schicken Fitnessstudio ist auch Personal Training inklusive. Garantiert.
Wir sehen, diese Begriffe wahllos zu kombinieren ist nicht gut. Sie eignen sich nicht als Synonyme. Sie sind zwar für das Verhältnis bezahlende Person / bezahlte Leistung austauschbar, kollidieren aber durch die unterschiedlichen metasprachlichen Bedeutungen.
Nutzen Sie Corporate Language als Marketinginstrument für Ihre Positionierung
Wie Sie Ihre Zielgruppe ansprechen, sagt viel über das aus, was diese in Ihrem Unternehmen zu erwarten hat. Sie schaffen mit sorgfältig gewählten Begriffen einen Rahmen, innerhalb dessen Sie die Werte vermitteln, die Ihre Positionierung ausmachen.
In unserem Beispiel mit dem Fitnessstudio gilt das für viele Themen, denken Sie nur an den Empfang. Oder den Check-in-Counter, die Rezeption, den Welcome-Desk, die Anmeldung.
Im Idealfall erarbeitet ein Unternehmen, bevor es nach außen kommuniziert, eine Vereinbarung über die Sprache, die es nutzen möchte. Dabei spielen Sprachebene, Sprachstil, aber auch die konkrete Wortwahl eine Rolle. Mit der verbindlichen Vereinbarung, sich an eine Corporate Language zu halten stellen Sie sicher, dass die Corporate Identity auch sprachlich adäquat umgesetzt wird. Intern und extern.
Bleiben wir noch ein wenig bei der fiktiven Fitnesseinrichtung. Das Unternehmen hat bereits ein Corporate Design (Name, Logo, Claim, Slogan, Geschäftsausstattung) und Räumlichkeiten. Damit ist schon viel festgelegt.
Der „Club des Corps Sportivs“ könnte in einem trendigen Loft beheimatet sein, „Maiers Rücken-Schule“ in einem Gewerbegebiet und das „Extreme Bodycenter“ in einer Innenstadtlage. Alle drei haben unterschiedliche Zielgruppen, unterschiedliche Unternehmensidentitäten (Corporate Identity).
Schließen wir kurz die Augen und hören wir uns die Musik an, die in den drei imaginären Fitnesseinrichtungen läuft. Sie hören den Unterschied? Wunderbar! Genauso unterschiedlich sollte auch die Corporate Language der drei erdachten Firmen sein.
Ihre Unternehmenssprache sollte von innen kommen
Legen Sie zunächst die Sprachebene fest und definieren Sie Ihren Sprachstil. Ihr Unternehmenskonzept und die anvisierte Zielgruppe weisen dabei die Richtung. Fragen wie „Wie will ich als Unternehmen von meiner Zielgruppe sprachlich wahrgenommen werden?“ und „Wie spreche ich meine Zielgruppe an?“ helfen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Legen Sie auch fest, ob und wie Sie in Ihrem Unternehmen inklusive Sprache nutzen möchten. Genderstern, -gap, -doppelpunkt oder das Wählen neutraler Begriffe bieten unterschiedliche Möglichkeiten.**
Smart ist es, die täglichen Nutzer Ihrer Corporate Language – Ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen – in die Überlegungen einzubeziehen. Es ist wichtig, dass die von Ihnen entwickelte Unternehmenssprache von den Sprechenden und Schreibenden Ihres Unternehmens authentisch eingesetzt werden kann. Überspitzt gesagt: Sprachhülsen aus dem Elfenbeinturm führen nicht zum Erfolg.
Halten Sie all das in einem Manual für Corporate Language fest
Ein Manual ist kein Hexenwerk, sondern penible Listen-Arbeit. Am Ende haben Sie eine Auflistung der Wörter/Wendungen, die benutzt werden sollen und eine Sammlung von Begriffen, die Sie vermeiden möchten.
Legen Sie bitte gleich auch Schreibweisen fest. Wenn beispielsweise Ihr Firmenname im Logo in Versalien oder kursiv steht, sollte sich das überall – bis hin zu einer kurzen Mail – wiederholen.
Natürlich gibt es keinen Anspruch auf Vollständigkeit solcher Aufstellungen. Im Laufe der Zeit werden Sie Änderungen vornehmen wollen und müssen. Das ist völlig normal, denn die Corporate Language entwickelt sich parallel mit Ihrem Unternehmen.
Und dann? Dann ist dieses Manual bindend für jeden, der für das Unternehmen schreibt und spricht. Intern sowohl als auch extern. Das gilt für:
- Werbemittel wie Flyer, Anzeigen, Plakate, Broschüren
- die Internetseite
- Funk- und TV-Spots
- Aktivitäten auf sozialen Medien wie Twitter, Facebook, Instagram, TikTok, LinkedIn, Xing
- die Korrespondenz mit Kund*innen und Lieferanten und Lieferantinnen
- für Bewerbungsgespräche
- interne Meetings
- den täglichen persönlichen Umgang mit Lieferant*innen und Kundinnen und Kunden
Das bedeutet natürlich, dass das Corporate-Language-Manual allen im Unternehmen zugänglich gemacht werden sollte. Als Datei, durch das Intranet, als Infoblatt oder Booklet. Oder auch als Bestandteil des Begrüßungspakets mit Visitenkarten und Blümchen am ersten Arbeitstag neuer Teammitglieder.
Nicht jedes Unternehmen geht von Anfang an mit einer Corporate Language an den Start. Oft entwickelt sich der Bedarf im Unternehmensalltag. Fangen Sie einfach an. Gerne unterstütze ich Sie dabei.
*Framing ist laut Duden die durch Medienproduzent oder -konsument erfolgende Einbettung eines Themas in einen subjektiven Deutungsrahmen.
Focus online liefert dazu:
Link zum Thema Framing: https://journalistikon.de/framing/
**Einen ausführlichen und fundierten Artikel zum Thema „Genderzeichen“ lesen Sie hier bei meiner Netzwerkkollegin Sigi Lieb :
https://houseofyas.de/impact/genderzeichen-welches/